Überragender Johannes von der Au entscheidet Partie in der letzten Sekunde
Mitreissend, emotional, packend, aufregend und vor allem mit einem unglaublichen Finish. Die Liste an Adjektiven, um das Südhessen-Derby zu beschreiben, könnte beliebig fortgesetzt werden und trotzdem ist das, was am Samstagabend in der RODAUSTROM-Sportarena passiert ist, nur schwer in Worte zu fassen.
Man merkte schon vor dem Anpfiff, dass eine ganz besondere Stimmung in der Luft lag. Die Hanauer, bestens unterstützt von gut 100 mitgereisten Fans, waren zwar personell dezimiert -unter anderem mussten sie auf Kapitän Max Bergold verzichten- aber hoch motiviert nach Rodgau angereist. Doch auch die Hausherren hatten „richtig Bock“ auf einen guten Handballabend. So entwickelte sich vor restlos ausverkauftem Haus eine hochklassige Drittligapartie mit leichten Vorteilen für die Gäste. Die kamen immer wieder über ihren Kreisläufer Rivic zum Erfolg oder entwickelten durch ihre Distanzschützen Schiefer und Braun Torgefahr. Die Hausherren liefen meist einem knappen Rückstand hinterher, das war auch der Tatsache geschuldet, dass man reihenweise beste Chancen im Angriff liegen ließ. Denn auf Hanauer Seite hatte Benedikt Müller einen Sahnetag erwischt, bekam oftmals eine Hand an die Würfe der Rodgauer, denen in dieser Phase etwas die letzte Konsequenz fehlte. HSG-Trainer Jan Redmann nahm eine Auszeit und einige personelle Wechsel vor, doch so richtig fruchtete die Maßnahme nicht, denn über 9:10 legten die Hanauer mit einem Doppelschlag zum 11:14 vor. Den Baggerseepiraten gelang es bis zum Halbzeitpfiff der beiden sehr umsichtig leitenden Unparteiischen immerhin noch einen Treffer aufzuholen und so ging es nach 30 rasanten Minuten mit einem 15:17 in die Kabinen.
Nach Wiederanpfiff gab es dann direkt Gänsehautmomente. Philipp Hoepffner -nach überstandenem Kreuzbandriss wieder mit an Bord- ersetzte den etwas glücklos agierenden Kapitän Marco Rhein und der Youngster, der schon vor zwei Jahren im Derby gegen Hanau eine überragende Leistung gezeigt hatte, entschärfte zwei Strafwürfe von Julian Fulda. Dazu gesellte sich eine konzentriertere HSG-Offensive und mit einem 4:0 Lauf drehten die Rodgauer binnen 3 Minuten die Anzeigetafel auf 19:17. Jetzt war die Stimmung in der Halle schon auf einem maximalen Level angekommen. Aber Hanau schlug zurück, kam wieder zum Unentschieden und zeigte deutlich, warum sie zurecht einen Spitzenplatz in der 3. Liga belegen. Um jeden Zentimeter Hallenboden wurde gekämpft, im Gegensatz zu einigen früheren Derbys aber immer fair und mit viel Respekt vor dem Gegner. Die Ausgeglichenheit der Partie spiegelte sich in den Zwischenständen von 21:21, 23:23 und 24:24 wider und so langsam ging es für die Teams in Richtung Crunch-Time. Dort legten die Gäste zunächst den besseren Lauf hin, aus einem 25:24 wurde bis zur 53. Minute ein 25:28, das Momentum lag klar bei den Grimmstädtern. Hassler und Schopper verkürzten auf 27:28, doch der Ausgleich wollte trotz zwischenzeitlicher Überzahl einfach nicht gelingen. Ganz im Gegenteil hatten die Hanauer beim 29:31 alle Trümpfe in der Hand. Hassler netzte zum 30:31 ein, dann leisteten sich die Gäste einen technischen Fehler und 30 Sekunden vor Schluss nahm Jan Redmann eine Auszeit. Mit einem wunderschönen Kempa-Trick gelang Johannes von der Au der 31:31 Ausgleich, da verstand man in der Halle schon sein eigenes Wort nicht mehr. Jetzt war es Gäste-Trainer Hannes Geist, der seinen Jungs die Marschroute für den letzten Angriff mit auf den Weg gab. Nun überstürzten sich die Ereignisse. Marco Rhein, der wieder zwischen den Pfosten war, vereitelte eine 100% ige Torchance, der Abpraller landete bei Wunderlich, der schnell zu Johannes von der Au passte. Mit raumgreifenden Schritten und einem unbedingten Siegeswillen stürmte der Rückraumschütze nach vorne, schraubte sich bei knapp 12 Metern nach oben und überwand mit einem wuchtigen Aufsetzer Torhüter Müller. Die Szenen, die sich danach abspielten, werden die Zuschauer mit Sicherheit nicht so schnell vergessen: Jubelschreie, ausgelassene Stimmung, Fans in Ekstase und auf der anderen Seite natürlich hängende Köpfe und große Enttäuschung. Das insgesamt 13.Derby war Werbung für den Handballsport, so sah es auch Gästetrainer Geist, der völlig zurecht stolz auf die gezeigte Leistung seiner Mannschaft war. Auf Seiten der Rodgauer konnte man das Glück kaum fassen, ein sichtlich mitgenommener Jan Redmann war völlig ausgelaugt: „Wahnsinn, das kann man kaum beschreiben, was hier los war. Wir sind am Ende cool geblieben, das ist wirklich eine unserer absoluten Stärke dieses Jahr“. Und auch Kapitän Marco Rhein, der ebenfalls sein letztes Derby bestritt, wusste gar nicht richtig wohin mit all den Emotionen: „Unfassbar, Geschichte wiederholt sich manchmal doch. In Hanau war es Henning, heute Johannes. Den allerletzten Wurf wollte ich unbedingt halten, das habe ich mir in der Auszeit noch mal vorgenommen. Dass wir das Ding dann noch gewinnen, ist natürlich sehr glücklich für uns. Es war eine absolut geile Stimmung, besser kann man gar nicht abtreten. Von daher Danke an alle Beteiligten !“
Notiz am Rande: In FRAPORT-Spielen bleiben die Baggerseepiraten weiterhin siegreich, auch diese Serie darf aus Sicht der Rodgauer gerne noch lange bestehen.