Die ganze Familie und viele Freunde waren da, als Julien Meyer sein letztes Spiel vor 2500 Fans für die Kadetten Schaffhausen bestritt – und wie. Mit zehn spektakulären Paraden und einer Fangquote von 40 Prozent wurde er zum Best Player der Orangen gewählt und war einer der Schlüsselfaktoren für die Aufholjagd sowie den entscheidenden dritten Erfolg in der Verlängerung gegen den BSV Bern.
Im ersten Jahr in Schaffhausen gewann er direkt das Triple aus Meisterschaft, Cup und Supercup. Im zweiten Jahr erneut den Supercup und den insgesamt 15. Meistertitel der Clubhistorie. Ein Titel, der dem sympathischen, freundlichen Zeitgenossen viel bedeutet, wie man nach Schlusspfiff unschwer in seinem Gesicht erkennen konnte. Im Moment, als die Konzentration und der Fokus der Erleichterung, Freude und einer gewissen Wehmut wich.
Aktuell sitzt der Familienvater auf gepackten Koffern und befindet sich zwischen Bürokratie und Papierkrieg, Kinderbetreuung und dem Zusammenpacken der Habseligkeiten auf dem Weg zum Umzug nach Frankreich. In der nächsten Saison wird er wieder in seiner französischen Heimat bei Chartres Métropole Handball das Tor hüten.
Im Abschiedsinterview spricht der 27-Jährige über seine Zeit in Schaffhausen, in der er 73 NLA-Spiele absolvierte, unzählige sehenswerte Paraden zeigte und 3 Tore warf und erklärt, warum er den «Kadetten-Spirit» mag.
Julien, dein letzter Heimspieltag mit den Kadetten Schaffhausen war ein ganz spezieller. War dir das schon an diesem Morgen bewusst? Hast du diesen Tag als ganz besonders wahrgenommen?
Ich habe mich vorbreitet wie immer. Man muss fokussiert sein und darf vor lauter Emotionen nicht die Kontrolle im Kopf verlieren. Deshalb war ich eine Runde im Wald laufen, habe mit den Kindern gespielt – und habe gehofft, dass es unser letztes Spiel sein wird. Ich war ruhig. Als ich in das Spiel gekommen bin, gab es nur die Aufgabe Bälle zu halten, einen nach dem anderen. Mit der Dramaturgie und der fantastischen Atmosphäre war es ein sehr emotionales Spiel. Trotzdem war ich wie in meiner eigenen Welt und konnte es erst zwei Tage danach alles realisieren. Solch ein Spiel gewinnst du mit drei Toren Rückstand vier Minuten vor Schluss vielleicht einmal in zehn Versuchen. Dieser Tag war unser im Final.
Du selbst hattest dabei mit zehn Paraden bei 40 Prozent abgewehrten Würfen einen erheblichen Anteil. War das der Abschied, den du dir erträumt hast?
Ich habe zwei Jahre gut gearbeitet. Diese Tage sind es, worauf man jeden Tag im Training und in vielen Begegnungen hin fiebert. Dass ich der Mannschaft in einer schwierigen Situation helfen konnte, macht mich sehr glücklich und stolz.
Welche Erlebnisse wirst du in besonders guter Erinnerung behalten?
Ich bin zu den Kadetten gekommen, um Titel zu gewinnen. Das war schon als Kind ein Traum von mir. Ich bin in Sélestat im Elsass geboren und aufgewachsen. Ich hatte früh in meinem Kopf, hier einmal spielen zu wollen. Dass mir nun fünf Titel in zwei Jahren gelungen sind, ist fantastisch. Es war eine wunderschöne Zeit und es ist mehr als ein Traum in Erfüllung gegangen.
Mischt sich nun etwas Wehmut in den Abschied?
Ich fühle mich nicht traurig, sondern sehr stolz. Stolz, dass wir als Club erfolgreich waren. Der Finaltag war schliesslich zu viel für mich und hat mich schlicht übermannt. Mit ein paar Tagen Abstand kann ich sagen: Wow, was haben wir hier zusammen geschafft, was eigentlich unmöglich ist. Das war, inmitten unseres Teams, ein sehr schönes Gefühl und der perfekte Abschied.
Wie blickst du zurück auf die zwei Jahre in Schaffhausen?
Ich habe unglaublich viel für mich als Person lernen können. Eine neue Sprache, eine neue Kultur, mehr Struktur im Leben und die gute Organisation. Für meine Familie war es eine schöne Zeit. Sportlich habe ich einen neuen Weg zu arbeiten kennengelernt, eine neue Handball-Vision. All das wird mir als Spieler und vielleicht später als Trainer oder Manager sehr helfen. Auch bei weniger Spielzeit galt es immer professionell und bereit zu sein, um der Mannschaft mit Vollgas helfen zu können.
Wie herausfordernd war die aktuelle Saison?
Es gab viele Höhen und Tiefen. Als die Playoffs begannen, war mit neun Siegen in neun Spielen nicht unbedingt zu rechnen. In der Meisterschaft haben wir unsere Aufgaben erledigt, doch das Aus in der European Handball League hat sehr geschmerzt. Wichtig war, dass wir nach dem ersten Halbfinal-Sieg gegen Suhr Aarau in der Verlängerung in unseren Playoff-Modus gekommen sind.
Was hast du in Schaffhausen besonders zu schätzen gelernt?
Das Leben hier mag ich sehr. Es ist alles einfach, gut organisiert und strukturiert. Natürlich meine Teamkameraden. Aber auch die herausragende Infrastruktur in der BBC Arena, die top für Spieler ist. Es ist alles da und bereit. Und ich mag den Spirit der Kadetten-Familie. Diese perfekte Mischung aus Gewinner-Mentalität, Professionalität und familiärem Umfeld. Ich fühlte mich immer sehr stolz, ein Kadetten-Spieler zu sein.
Hast du noch letzte Worte an die Fans?
Es war immer eine besondere Verbindung, eine Freundschaft zu den Fans. Das habe ich gefühlt und ich habe immer mit Herz gespielt. Gerade in den grossen Spielen konnten wir uns immer auf eine volle Halle und grossartige Unterstützung verlassen. Diese Atmosphäre ist sehr wichtig für die Mannschaft – in jedem Spiel. Ich habe die Nähe zu den Fans immer genossen und viele Emotionen mit ihnen geteilt. Wenn mein zweijähriger Sohn das Kadetten-Trikot sieht, ruft er direkt «Hopp Kadette». Das ist immer speziell. Herzlichen Dank für den Support und die gemeinsame Zeit. Die Geschichte ist noch nicht fertig geschrieben.