Der “Altmeister” Thüringer HC trifft am Mittwoch, den 6. November, um 19:30 Uhr in der Salza-Halle im Viertelfinale des DHB-Pokals auf den fünffachen Deutschen Meister, zuletzt dreimal in Serie, unter dem neuen Namen HB Ludwigsburg.
Vor dem ersten Qualifikationsspiel zur EHF European League am Sonntag in Nordhausen, gegen die Ungarinnen von Vac Handball, ist das Viertelfinale das bisher wichtigste Spiel der Saison. Bei einem überraschenden Sieg wäre sogar ein wichtiger Schritt in Richtung eines Titelgewinns getan, und der täte dem Thüringer HC und seinen zahlreichen Fans im 20. Jahr der Bundesligazugehörigkeit wahrlich wohl.
Rückblick: Man möchte es nicht Generalprobe nennen, aber so was ähnliches war das Samstagspiel in der Bundesliga gegen den Tabellendritten VfL Oldenburg. Die Gäste kamen mit der Empfehlung in die Salza-Halle, dass sie in den letzten zehn Spielen nur gegen die HB Ludwigsburg verloren hatten, Siege in Bensheim, Buxtehude und Metzingen standen auf der Erfolgsliste. Der THC bot zudem in Bensheim eine desaströse Vorstellung und landete in Buxtehude keinen überzeugenden Arbeitssieg. Umso überraschender war die deutliche Steigerung im Spiel gegen den VfL Oldenburg. Wie man nach einer ausgeglichenen Anfangsphase, wo keine von beiden Mannschaften sich absetzen konnte, nach dem 12:12 plötzlich im letzten Drittel der ersten Halbzeit einen 6:0 – Lauf hinzauberte und schon zur Halbzeit beim 19:14 das Spiel in der Hand hatte, rief bei den Besuchern Bewunderung hervor. Und in Halbzeit zwei machte die Mannschaft konzentriert und selbstbewusst so weiter. Mit zehn Toren muss man erst mal gegen den VfL Oldenburg gewinnen. Überragend Johanna Reichert, mit einer Glanzleistung Christina Lövgren Hallberg im Tor und Csenge Kuszora, die nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Kathrin Pichlmeier zum Einsatz kam, muss man aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung noch besonders lobend hervorheben. Ebeno zeigte wie das gesamte Team Sharon Nooitmeer, am Kreis mit einer Schutzmaske über der nach einem Bruch heilenden Nase spielend, die beste Leistung der Saison.
Zum Spiel: Keine Frage zu Beginn, der Finalist in der EHF Champions League Saison 2023/24 ist vor diesem Spiel der klare Favorit. Daran ändert auch nichts, dass der BVB Dortmund jüngst die Ludwigsburger nach dreieinhalb Jahren die erste Niederlage in der Bundesliga verpasst hat. Nach dem überraschenden Pokalerfolg von TuS Metzingen im Frühjahr nun der zweite Lichtblick in Handball-Deutschland, dass die “Olymp-Truppe” nicht unbesiegbar ist.
Wenn beide Teams in dieser Saison etwas gemeinsam haben, dann ist es der Umbruch. Ludwigsburg hat sich neu aufgestellt. Mit Kelly Dulfer, Inger Smits, Danick Snelder, Gabriela Moreschi, Melinda Szikora haben sie international herausragende Spielerinnen verloren, konnte aber mit guten Transfers wie der schwedischen Nationaltorhüterin Johanna Bundsen, mit den deutschen Nationalspielerinnen Viola Leuchter und Mareike Thomaier von Leverkusen oder mit Guro Nestaker von Storhamar Handball aus Norwegen starken Ersatz schaffen. Immerhin, bis zu 15 Spielerinnen aus dem Ludwigsburger Aufgebot reisen im November mit ihren Teams zur Europameisterschaft nach Ungarn, Österreich und in die Schweiz. Die HB Ludwigsburg hat in dieser Saison große Ziele: Titelverteidigung in der Meisterschaft, Pokalsieg und einen Platz unter den zehn besten Teams in Europa.
Ein Drittel der Meisterschaftsrunde vor den Play-Offs sieht sich Ludwigsburg ungewohnt auf Rang zwei der Liga, in der EHF Champions League ist man in der bärenstarken Gruppe B mit Györi AUDI ETO KC, Brest Bretagne und Team Esbjerg nach nur zwei Siegen aus sechs Spielen auf Rang 6 der Tabelle. Bleibt noch der Pokal. Da hat es das Los so gewollt, dass Ludwigsburg zum Thüringer HC muss. Eigentlich wird der Ligaprimus darüber nicht ins Grübeln geraten. Doch plötzlich ist die Ausgangsposition eine andere.
Herbert Müller, der ein Fan des Pokalwettbewerbes ist, wo auch mal in einem K. O. – Match der Außenseiter, zumal mit Heimspielrecht, eine Chance bekommt, sagte kürzlich: “Wenn schon Ludwigsburg, dann im Viertelfinale und im Heimspiel mit dem Schwung der eigenen Fans im Rücken.” Ihn reizt dieser Vergleich von David gegen Goliath. Hatte man vor Tagen, nach der schwachen Vorstellung bei der HSG Bensheim/Auerbach und nach dem mühevollen Arbeitssieg in Buxtehude bei den THC-Fans noch mit Bangen an das Pokalmatch gedacht, gibt der glanzvolle Auftritt vom Samstag gegen den Tabellendritten VfL Oldenburg sogar ein wenig Hoffnung. Scheinbar ist der Bock nun umgestoßen, ist der Thüringer HC auf einem guten Weg. Das Team präsentierte sich in Hochform ohne eine einzige Schwachstelle. Mit dem Schwung, selbstbewusst, kampfstark und tempohart sollte der THC die Herkulesaufgabe Ludwigsburg angehen. Der Druck liegt bei den Gästen, denen fehlt noch die Selbstverständlichkeit des haushohen Favoriten.
Klar, wir haben Respekt, doch der Reiz liegt in der Herausforderung, einmal das schier Unmögliche zu meistern. Eine volle Halle wird wohl am Mittwochabend das ihre dazu beitragen.
Zum Kader: Bis auf Kerstin Kündig, die bis zur Europameisterschaft im eigenen Land wieder fit sein will, sind wohl alle anderen THC-Spielerinnen an Deck. Kathrin Pichlmeier klagte nach dem Spiel lediglich über Kopfschmerzen, sollte wohl bis Mittwoch fit werden.
Bericht: HaJo Steinbach